Studieren in Shanghai: Kultureller Austausch und Digitalisierung hautnah
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29.04.2019
Drei Studierende aus der Fakultät Technik und Informatik verbringen seit Februar 2019 ein Auslandssemester in Shanghai. Per Videokonferenz erzählen sie, was sie zwischen Projektarbeit, Vorlesungen, Seminaren und Sprachkursen in der chinesischen Großstadt erleben und warum es sich lohnt den Schritt zu wagen.

Das Schwierigste war die Sprache. Als Dominik Löffler, der Automatisierungstechnik an der HAW Hamburg studiert, im Februar 2019 mit dem Flugzeug in der Millionenstadt Shanghai landete, sprach er kein Wort Chinesisch. Zusammen mit Lukas Lewandowsky und Nico Ahrens, zwei weiteren Studierenden der HAW Hamburg, verbringt er ein halbes Jahr an der University of Shanghai for Science and Technology (USST) und arbeitet in dem Projekt „Inbetriebnahme einer Industrie 4.0-Modellfabrik“.

Schon zwei Monate nach der Ankunft ist Dominik Löffler am Shanghai-Hamburg College (SHC) komplett angekommen: Er hat einen Grundkurs für Chinesisch besucht, ist im Karate- und Taekwondo-Club und arbeitet an seiner Masterarbeit. Die freundliche Begrüßung am SHC, das aus einer Kooperation zwischen der USST und der HAW Hamburg entstand, federte den anfänglichen Kulturschock durch die Dimensionen der Riesenstadt, die sprachliche Hürde und die Digitalisierung auf die Hamburger Studierende ab. Schnell fanden sie Anschluss.

Leben, arbeiten und studieren in Shanghai

Das Wohnheim, in dem die Studierenden für sechs Monate leben, liegt direkt auf dem Campus. Wie eine eigene kleine Stadt mutet die USST an. Wohnen, essen, studieren, Sport machen: Hier spielt sich der Großteil des Studierendenlebens ab. „Viele unserer chinesischen Kommilitonen sprechen sehr gut Englisch und Deutsch. Außerdem macht man hier viel direkt auf dem Campus. Die Sportmöglichkeiten zum Beispiel, konnte ich mir vorher gar nicht vorstellen“, sagt Nico Ahrens, der genau wie seine Kommilitonen fast täglich Sport treibt und dadurch viele Kontakte knüpfen konnte.

Durch die Projektarbeit in der Modellfabrik, bei der auch zehn chinesische Studierende eingebunden sind, haben sich Freundschaften geschlossen. Zum Beispiel mit Alice, die an einer Cloud-Lösung für das System forscht und den drei Deutschen die chinesische Kultur beibringt. 2016 war sie selbst für eine Summer School an der HAW Hamburg und absolvierte im Wintersemester 2018/19 ein Praktikum in der Hansestadt. Für zwei deutsche Studierende pro Jahr kann auch ein Praktikum in Shanghai über das SHC koordiniert werden.

„Am Anfang war es eine große Umstellung nach Shanghai zu kommen. Wenn man denkt, Hamburg sei groß, dann ist Shanghai gigantisch!“, erzählt Dominik Löffler. Über WeChat sind die Studierenden auf einem kleinen Display mit ihren Gesprächspartnern am Berliner Tor verbunden. Die chinesische App dient nicht nur dem engen Kontakt mit den Betreuern an der HAW Hamburg, sondern ersetzt auch weitgehend das Bargeld in Shanghai.

Die Projektarbeit und Abschlussarbeiten

Die Initialzündung für den Auslandsaufenthalt kam von den Professoren Dr. Michael Röther und Dr. Florian Wenck vom Department Informations- und Elektrotechnik. Prof. Röther leitet das SHC auf deutscher Seite. Prof. Florian Wenck betreut die Masterarbeit von Dominik Löffler und die Bachelorarbeit von Nico Ahrens. Das Bachelorprojekt von Lukas Lewandowsky wird von Prof. Dr. Hans-Joachim Beyer vom Department Maschinenbau und Produktion betreut. Auf chinesischer Seite ist Prof. Shen Jianqiang als Zweitprüfer tätig.

Während Nico Ahrens für seine Bachelorarbeit eine Augmented Reality Umgebung auf Basis einer Datenbrille (Smart Glasses) entwickelt, durch die der Träger Informationen über die Maschinen in der Modellfabrik und die Werkstücke zugespielt bekommt, arbeitet Lukas Lewandowsky mit einem Kuka-Roboter, der die Fertigteile der Anlage überprüft und zum Beispiel beschädigte Teile selbstständig herausholt. Dominik Löffler, der unter den Studierenden die Leitung des Projekts übernommen hat, arbeitet an einer Cloud-Lösung für Big Data Analysis, worüber zum Beispiel Algorithmen für die Wartung der Maschinen (Predictive Maintenance) laufen werden. Sowohl die Abschlussarbeiten als auch das Kolloquium absolvieren die Studenten in Shanghai in englischer Sprache.

Warum nach Shanghai gehen?

Die Zusammenarbeit zwischen der HAW Hamburg und der USST besteht bereits seit 34 Jahren. Sowohl chinesische als auch deutsche Studierende profitieren von dem Austausch. „Wer Digitalisierung wirklich erleben will, sollte an dem Programm teilnehmen“, sagt Prof. Michael Röther. Er und seine Kollegen Prof. Wenck und Prof. Beyer möchten besonders die deutschen Studierenden ermutigen, die Möglichkeit wahrzunehmen nach Shanghai zu gehen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Natalia Ribberink sollen ab dem nächsten Semester außerdem Studierende des International Management von der HAW Hamburg an das SHC gehen. Die Studierenden werden aktuell mit drei HAWeltweit Stipendien (3 x 1200 Euro), der Übernahme der Kosten für Flüge und Unterkunft und einem Tagegeld von 100 Yuan am Tag unterstützt. „Es geht dabei auch um den kulturellen Austausch und die Erfahrung im Ausland. Dabei wird die Studienleistung in dem Semester in China komplett angerechnet, sodass die Studierenden keine Zeit verlieren“, sagt Prof. Röther.

Wenn man den Erzählungen der drei Studenten lauscht, bekommt man eine Ahnung was Prof. Röther damit meint. Neben den wissenschaftlichen Möglichkeiten in der Modelfabrik 4.0 werden die Besuche in Karaoke-Bars mit den chinesischen Kommilitonen, Entdeckungstouren auf den Shanghai-Tower oder die 5-stündige Zugreise ins 1.300 Kilometer entfernte Peking wohl für immer in Erinnerung bleiben. (Autorin: Britta Sowa)

Informationen über das Shanghai-Hamburg-College

Das von der University of Shanghai for Science and Technology (USST) und der HAW Hamburg gemeinsam geführte Shanghai-Hamburg College (SHC) bietet die Bachelorstudiengänge Elektrotechnik (Automatisierungstechnik, mit Goethe-Zertifikat B2), Maschinenbau (Fertigungstechnik, mit Goethe-Zertifikat B2) sowie Internationale Wirtschaft und Außenhandel (mit Goethe-Zertifikat B2) an.

Die Studiengänge sind bilingual (Chinesisch/Deutsch) organisiert. Das erste Studienjahr ist dem Erwerb grundlegender deutscher Sprachkenntnisse gewidmet und schließt mit dem Zertifikat B1 des Goethe-Instituts ab. Der Fachunterricht im zweiten und dritten Studienjahr erfolgt zu einem Drittel (jeweils zwei Module je Semester) durch Lehrende der HAW Hamburg in deutscher Sprache. Neben der fachlichen Ausbildung ist somit das Erlernen der deutschen Sprache auf Niveaustufe Goethe-Zertifikat B2 ein wesentlicher Meilenstein zum Erreichen des Bachelor-Doppelabschlusses beider Hochschulen.

Selbst ein Auslands- oder Praxisemester in Shanghai machen?

Wer sich für ein Auslands- oder Praxissemester in Shanghai oder einen Lehreinsatz am Shanghai-Hamburg College (möglich für Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) interessiert, kann sich an die Projektkoordinatorin Meike Rissiek (meike.rissiek(@)haw-hamburg.de) wenden